Nachlese zur Veranstaltung am 26. November 2025

Am 26. November 2025 fand unsere Veranstaltung von 10:00-16:00 im Prechtlsaal der TU-Wien, Karlsplatz 13, 1040 Wien statt:

Von der Idee zur Wirkung:
Start-ups und Safe-and-Sustainable-by-Design für eine zukunftsorientierte Chemie

Eine Veranstaltung der Plattform Grüne Chemie – Zukunft:Chemie und der Plattform SusChem-AT – finanziert durch das BMLUK. Der Raum wird von der TU Wien zur Verfügung gestellt.

In der Veranstaltung wurden aktuelle Themen der Grünen Chemie in den Fokus gerückt und thematisch miteinander verbunden:

  • Die Vorstellung des überarbeiteten Safe-and-Sustainable-by-Design Konzeptes (SSbD);
  • Die Umsetzung des SSbD-Konzeptes im Projekt PLANETS konkret für Weichmacher, Flammschutzmittel, Tenside;
  • Die Rahmenbedingungen von Grüne-Chemie-Start-ups zur Umsetzung ihrer Projekte und die Relevanz von SSbD;
  • Die Perspektive von Investorenden und Fördergebenden auf Grüne-Chemie-Start-ups und die Relevanz von Nachhaltigkeit.

Fragen zur Veranstaltung richten Sie bitte an das Grüne Chemie Team.

Die Veranstaltung wurde nach den Kriterien des Österreichischen Umweltzeichens UZ62 für Green Events und Green Meetings zertifiziert.

Weiterführende Informationen zur Plattform Grüne Chemie - Zukunft:Chemie und zur Plattform SusChem-AT finden Sie auf den jeweiligen Websites.

Nachlese

Die Veranstaltung wurde von Thomas Jakl (BMLUK), Marko Mihovilovic (TU Wien) eröffnet und von Sabine Cladrowa (Umweltbundesamt) moderiert. 

Langfristig und mit Perspektive – Bericht zum Workshop

Vorangegangene Arbeiten zu Grüne Chemie Start-ups wurden von Barbara Wetzer (Umweltbundesamt) präsentiert: Langfristig und mit Perspektive – Bericht zum Workshop. Vor dem erwähnten Workshop wurden in einer Umfrage Start-ups, öffentliche Fördergeber:innen, Investor:innen, Unternehmen bzw. chemische Betriebe und Inkubatoren zu Themen im Bereich Grüne Chemie Start-ups befragt. Die Ergebnisse wurden im darauffolgenden Workshop eingebunden. Beim Workshop waren Vertreter:innen aus folgenden Institutionen und Bereichen anwesend: Chemische Industrie (Research & Innovation), Gründungszentrum WU, Entrepreneurship Center Network (ECN), Business Angels, Entrepreneurs und Mentor:innen, Spin-off Programme, Inkubatoren, FFG-Basisprogramm - Startup Services, AWS Deep Technologies, Ministerien (Chemiepolitik und Biozide, Grüne Finanzen und nachhaltige Wirtschaft, Forschungs- und Technologieförderung), Austrian Start-ups und das Umweltbundesamt. Als Outcome des Workshops wurden sechs Bereiche definiert, in denen konkret Maßnahmen zur Unterstützung Grüner Chemie Start-ups umgesetzt werden könnten: Recht und Bürokratie, Finanzierungslücken, fehlende Labore und Flächen, fehlendes Business Know-how, bessere Sichtbarkeit und Vernetzung und angepasste Start-up und andere Programme.

SSbD in der Praxis: Projekt PLANETS

Clemens Wolf (SusChem-AT, BNN) und Martin Himly (Universität Salzburg) erläuterten in einem interaktiven Format zunächst die Hintergründe des SSbD-Konzepts. Dieses hat seinen Ursprung im EU Green Deal. Ziel des SSbD-Konzepts ist es, die Sicherheit und die Nachhaltigkeit von Produkten, von Chemikalien bis hin zu Erzeugnissen, im Zuge einer Entwicklung stets mitzubewerten, um sichere und nachhaltige neue Produkte oder bestmögliche Alternativen entwickeln zu können. Das Konzept beinhaltet folgende Schritte:

  1. Bewertung von Risiken für Mensch und Umwelt inklusive Arbeitnehmer:innen und Konsument:innen;
  2. Lebenszyklusanalysen (Life Cycle Assessment, LCA) unter Berücksichtigung der ökologischen, sozialen und finanziellen Auswirkungen;
  3. Betrachtung der genauen Funktion des Produktes, mögliche Vor- und Nachteile bei anderem Design in festgelegten Dimensionen sowie der Abfallphase.

Auf Basis erster Anwendungen und zahlreicher Rückmeldungen an das Joint Research Center der EU-Kommission (JRC) findet eine Überarbeitung und Verbesserung des Konzepts statt. Voraussichtlich wird im Dezember 2025 das neue Konzept vom JRC veröffentlicht. Die wichtigsten Änderungen sind:

  • Die Bestimmung der Grenzen der SSbD-Bewertung und des Ziels (scope: „Welche Funktion/Eigenschaft im Produkt soll substituiert werden und warum?“);
  • Vorgaben zur Entscheidungsfindung und Betrachtung der Unsicherheiten;
  • Möglichkeit der Anpassung der Bewertungstiefe nach Entwicklungsstand und Datenverfügbarkeit (simplified, intermediate, full).

Anschließend wurden Fallstudien zu Tensiden (Substitution von Polyethylen Oxid), Flammschutzmittel (Substitution von halogenierten Flammschutzmittel) und Weichmachern (Substitution von Bisphenolen und anderen Weichmachern mit ähnlichen gesundheitsgefährdenden Eigenschaften) vorgestellt und bestehende Probleme bei der Anwendung aufgezeigt. Diese waren unter anderem:

  • Vertraulichkeitsfragestellungen bei der Verwendung von Open-Access-Tools bei der Gefahrenbewertung (etwa QSAR-Toolbox);
  • Integration der Funktionsbewertung;
  • Umgang mit Unsicherheiten der Bewertung;
  • Integration von vergleichender und absoluter Gefahrenbewertung;
  • Harmonisierte Datensammlung;
  • Transparente Entscheidungsfindung und Gewichtung von Vor- und Nachteilen;
  • Umgang mit Nebenprodukten;

Abschließend wurde von den Teilnehmenden in einer Umfrage festgestellt, welche Faktoren bei der Anwendung des SSbD-Konzeptes unterstützen würden. Die meistgenannten Faktoren waren in absteigender Reihenfolge: Finanzierung, zuverlässiges Wissen zur Anwendung des Konzepts, Bewusstsein, zur Verfügung stehende Daten und Zusammenarbeit.

Hinweis: Diverse Unterlagen im Zusammenhang mit dem Projekt PLANETS und SSbD werden öffentlich zur Verfügung gestellt auf der Plattform Zenodo.

Interview: Bedeutung und Chancen von SSbD für Grüne Chemie Start-ups

Markus Hochegger-Krawanja (Universität Graz, PureSurf) erforscht biobasierte Hochleistungstenside. Als Rohstoff dienen Lignin-haltige Holzabfälle. Bei der Synthese der Hochleistungstenside stehen milde und effiziente Synthesewege im Fokus. Zusätzlich können mit Hilfe der Syntheseplattform PureSynth Rohstoff-flexibel unterschiedlichste Tenside hergestellt werden. Erste Versuche bei Kunden ergaben, dass biobasierte Hochleistungstenside unter anderem eine bessere Reinigungsleistung bei geringerer Einsatzkonzentration aufweisen, sowie eine geringere Toxizität gegenüber Algen als bisher eingesetzte Tenside zeigten. Der Markteintritt ist für 2026 geplant.

Safe-and-Sustainable-by-Design: Bei Tensiden ist die Bioabbaubarkeit eine rechtliche Vorgabe, die durch entsprechende Daten nachgewiesen werden muss. Im Gegensatz dazu sind Daten zur Bewertung in anderen Bereichen des SSbD-Konzepts, wie etwa des Kohlendioxidfußabdrucks wenig bis gar nicht vorhanden. Die Bewertung der Toxizität, zum Beispiel durch Anwendung von struktur-basierten Vorhersagemodellen wie QSAR (quantitative Struktur-Wirkungs-Beziehung) stellte ebenso eine Herausforderung dar. Dennoch gelang es, durch die Anwendung des SSbD-Konzepts die Entwicklung eines toxischen Tensids frühzeitig zu stoppen. Für eine leichtere Umsetzung von SSbD sollten sich Grüne Chemie Start-ups/Unternehmen im Rahmen von Kooperationen mit Universitäten mit dem SSbD-Konzept auseinandersetzen.

Unterstützung für Forschung und Unternehmensgründung: Neben österreichischen Förderungen durch das Austria Wirtschaftsservice (AWS) konnten auch Europäische Förderungen etwa unter Horizon Europe lukriert werden. Eine bedeutende Förderung erfolgte durch den Europäischen Innovationsrat (EIC) im Rahmen des Programmes EIC-Transition

Tipp für andere Start-ups: österreichische Start-ups sollten „größer denken“, voneinander lernen und entwickelte Lösungen selbstbewusster präsentieren. Zusätzlich ist das Einbeziehen der gesamten Lieferkette und somit auch der Verwender entscheidend für den Erfolg von Jungunternehmen. Das Mitdenken von spezifischen Anwendungen während der Entwicklungsphase eröffnet bessere Chancen und stärkt den Blick auf das Wesentliche: Welchen Nutzen bringt das Produkt dem Kunden? Auch ein nachhaltig hergestelltes Tensid muss in Hinblick auf dessen Funktion und Kosten kompetitiv sein, um sich auf lange Sicht durchsetzen zu können.

Panel: Start-ups in der Grünen Chemie - Lessons learned

Die Perspektiven verschiedener Grüne Chemie Start-ups wurden in einem Panel durch vier Vertreter:innen Astrid Radkohl (Yflavor), Dhaarsi Jaksch (Magmatic Bio), Bernhard Müller (M-Chem) und Maximiliano Ibaceta (Vienna Textile Lab) dargestellt. Die vielfältigen Ideen dieser Start-ups reichen von klimaneutralem Aluminiumoxid, Biomaterialien zur umweltschonenderen Extraktion von Metallen, über Textilfärbemittel aus Mikroorganismen bis zu natürlichen Aromastoffen aus Lebensmittelresten. Die Hürden, die diese Start-ups überwinden müssen, sind dabei genauso vielfältig: die kostenintensive Infrastruktur inklusive Pilotanlagen oder Mietkosten, die oftmals langen bürokratischen und regulatorischen Hürden oder die hohen F&E Kosten stellen ein Bottleneck für die Umsetzung dar, während Investoren eine zeitnahe Kapitalrendite erwarten. In Hinblick darauf wird die Nachhaltigkeit auch eher als Add-on gesehen, während Abstriche bei der Funktionalität kaum in Kauf genommen werden. Prinzipiell wurde jedoch von allen Seiten betont, dass nachhaltige Produkte bei Kunden einen sehr hohen Anklang finden, wobei höhere Preise nur in gewissem Umfang und im richtigen Ökosystem akzeptiert werden (wie etwa bei Anbietern von nachhaltiger Mode). In Bezug auf die Umsetzung des SSbD-Konzepts wurde eine frühe Umsetzung bekräftigt, da ein spätes Umlenken oft zu teuer würde. Ein Hindernis, das bei der Umsetzung nachhaltiger Lösungen und Ansätze wie dem SSbD-Konzept jedoch existiert, ist, kompetitiv gegenüber der etablierten und seit Jahrzehnten optimierten Industrie zu sein. 

Als Wünsche an Rahmenbedingungen wurde von den Diskussionsteilnehmer:innen eingebracht, dass eine Erleichterung der administrativen Tätigkeiten und der regulatorischen Vorgaben (regulatory sandboxes), die Verfügbarkeit von kostengünstiger Infrastruktur und Laboren, sowie Anlagen für die Skalierung sehr hilfreich wären. Hier wurde hervorgehoben, dass Kollaborationen nach dem Vorbild des Silicon Valley ein großer Vorteil wären, um Kosten und Infrastruktur zu teilen und eine hohe Flexibilität auch bei der Skalierung zu ermöglichen. Dies könnte durch Standorte etabliert werden, die Industrie und Forschung in Innovationszentren verbinden. Ein weiterer Punkt, der aufgebracht wurde, war, dass die Förderlandschaft zwar recht gut ist, die Möglichkeit große Investitionen zu gewinnen dagegen eher schwierig. Insgesamt war der Tenor, dass eine gute Vernetzung, etwa ein "Mapping" von Pilotinfrastruktur und die Schaffung von Synergien sehr hilfreich wäre. Durch das BMLUK wurde kommuniziert, auf konkrete Forderungen und Bedürfnisse eingehen zu wollen. 

Panel: Investition in die Grüne Chemie - Herausforderung und Chance

An der Paneldiskussion aus dem Bereich Finanzierung und Investment nahmen teil: Julia Seeliger (European Circular Bioeconomy Fund), Nordin Sabovic (AWS Connect Programm), Daniel Paunovic (EIT-Manufacturing), Bernhard Ungerböck (eQventure) und Philipp Stangl (Noctua).
Obwohl die Panelteilnehmer:innen unterschiedliche Bereiche vertraten, wurde die Frage, wie relevant Nachhaltigkeit, insbesondere „Grüne Chemie“ für Investments sind, einstimmig beantwortet: Ein Green Premium existiere nicht. Nachhaltigkeit muss implizit, nicht explizit sein und kann dabei ein Add on, aber kein Kriterium an sich sein. Während wirtschaftliche Faktoren überwiegen, hat Nachhaltigkeit für den Konsumentinnen und Konsumenten eher an Bedeutung verloren. Erschwerend kommen die derzeit existierenden, zu komplexen Regularien (Empfehlungen, Berichterstattungspflichten) hinzu. Außerdem wird ein klarer rechtlicher Weg Richtung Nachhaltigkeit vermisst. Er würde befürwortet werden, weil er gleiche Voraussetzungen für alle, Planungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit liefere. Der derzeitige Trend stimme, es würde aber zu viel „aufgeweicht“. Andererseits dürfe Regulatorik nicht der einzige Grund sein, weshalb ein Produkt am Markt „funktioniert“, der Preis müsse passen, es müsse sich auch über andere Wege rentieren. 

In Bezug auf die langen Entwicklungsphasen von Grüne Chemie Start-ups wurde betont, dass so lange Investments nicht üblich seien und am „klassischen“ Risikokapitalmarkt kaum berücksichtigt werden. Eine Möglichkeit wären Meilensteininvestments, wobei die Geschäftsmodelle der Start-ups dafür oft nicht geeignet seien. Es gibt auch sogenannte Evergreen Funds, die lange laufen (keine feste Laufzeit, kein Enddatum).
Alternativ und zur Unterstützung wurde auch vorgeschlagen, während einer Begleitungsphase (vor dem Investment) Know How und Beratung zur Verfügung zu stellen. Es kann auch versucht werden über Networking mit Industrie, erste Kooperationen die Zeit time to market zu verkürzen. Deshalb haben Kooperationen und Networking eine große Bedeutung.

Im Gegensatz dazu waren sich die Diskutierenden zu den Anforderungen an die Start-ups selbst, damit die Wahrscheinlichkeit eines Investments in sie steigt, einig: Nachweisbare Robustheit des Start-ups, Kunden in der „Pipline“, internes Investment, Joint Ventures, keine rein wissenschaftlichen Teams, Markterfahrung, ernsthaftes Interesse in den Markt einzusteigen.

In der Diskussion wurde in Frage gestellt, ob es Sinn mache, Investments auf Österreich zu beschränken. Auch umgekehrt ist es für Start-ups nicht sinnvoll nach Investoren ausschließlich in Österreich zu suchen. Wichtig sind Sichtbarkeit und Austausch über Österreich hinaus, Teilnahme an (internationalen) Veranstaltungen, interdisziplinäre Teams, Kontakte pflegen, Fortschritt und erreichte Milestones sichtbar machen!

Die Erwartungen an die Politik bezogen sich vor allem auf regulatorische Sicherheit, die eine Voraussetzung für Planungssicherheit ist. Regulierungen zur Nachhaltigkeit werden per se nicht als negativ betrachtet. Problematisch sind fehlende, einfach bestimmbare Kriterien zur Bewertung der Nachhaltigkeit und das „Aufweichen“ bestehender Regulierungen. Konkret wäre derzeit etwa eine Paris-konforme Kohlendioxid-Bepreisung wichtig.

Feedback (Beekast)

Feedback der Teilnehmenden in Form einer Wortwolke: Auf die Frage was den Teilnehmenden gefallen habe wurde geantwortet: Vernetzung, Paneldiskussionen, SSbD, unterschiedliche Perspektiven.
Feedback zur Frage: Was war super an der Veranstaltung?
Feedback der Teilnehmenen zu den Take-Home-Messages. Es wurden genannt: Grün allein reicht nicht, Planungssicherheit ist wichtig, Nutzen von SSbD, SSbD ist in Stufen durchführbar.
Feedback zur Frage: Was sind Ihre Take-Home-Messages?

Beide Wordsclouds wurden durch Unterstützung von KI erstellt.

Programm

Uhrzeit

Titel

ab 09:30Einlass
10:00Opener
10:20Begrüßung
Thomas Jakl (BMLUK), Marko Mihovilovic (TU Wien), Sabine Cladrowa und Barbara Wetzer (Umweltbundesamt)
10:50SSbD in der Praxis: Projekt PLANETS
Clemens Wolf (SusChem-AT, BNN), Martin Himly (Universität Salzburg)

11:40

Kaffeepause

12:00Interview: Bedeutung und Chancen von SSbD für Grüne Chemie Start-ups
Markus Hochegger-Krawanja (Universität Graz/Pure Surf)
12:25Langfristig und mit Perspektive - Bericht zum Workshop
Barbara Wetzer (Umweltbundesamt)

12:40

Mittagspause

13:25Panel: Start-ups in der Grünen Chemie - Lessons learned
14:15Panel: Investition in die Grüne Chemie - Herausforderung und Chance
15:05Networking

15:20

Kaffeepause

15:30Publikumsdiskussion: Nachhaltige Transformation – Wie können Grüne Chemie Start-ups ihren Beitrag leisten?
Thomas Jakl (BMLUK)
15:50Zusammenfassung und Feedback
Thomas Jakl (BMLUK), Sabine Cladrowa (Umweltbundesamt)

16:00

Ausklang bei Kaffee